Heute wird’s bunt! Für unsere neueste Folge des Shopify Podcasts haben wir Jennifer Baum-Minkus eingeladen. Die Gründerin der Nagellackmarke gitti hat gemeinsam mit ihrer Community eine Beauty-Revolution gestartet. Mit einer komplett neuen Formulierung für Nagellack läuft sie den bestehenden Produkten am Markt den Rang ab, denn diese sind vor allem eines: schwer gesundheitsschädlich, krebserregend und beeinträchtigend für die Fruchtbarkeit und den Hormonhaushalt.
Warum das Unternehmen nach dem Launch des Onlineshops innerhalb von zwei Stunden ausverkauft war, was die Entstehungsgeschichte von gitti mit Wein und einem Teppich zu tun hat und was Jennifer bei der Mitarbeiterführung besonders wichtig ist, erfahrt ihr im Podcast oder direkt hier im Beitrag.
Für die komplette Transkription dieser Folge klick hier.
Show Notes
Meditation mit Nagellack in Zeiten von Corona
Manuel Fritsch: Gesundheit ist ein Thema bei eurem Produkt. Deswegen jetzt eingangs auch die Frage, wie gehts euch gerade als Unternehmen innerhalb dieser Corona-Krise?
Jennifer Baum-Minkus: Grundsätzlich ist das eine extrem herausfordernde Situation auf persönlicher Ebene, aber natürlich auch für uns als Unternehmen. Ich sehe solche Herausforderungen immer als Chancen. Wir sind als Team jetzt über drei Wochen im Homeoffice, da hat sich eigentlich nichts geändert. So wie wir arbeiten, ist alles darauf ausgelegt, dass jeder von irgendwo auf der Welt arbeiten kann, dass du auch mittels Video Calls nicht nur den anderen auf dem Laufen halten, sondern auch einander Zuspruch und Energie geben kannst. Wir haben gemerkt, wie wichtig das Team für uns ist. Gerade wie wir uns austauschen, wie wir Projekte und Themen vorantreiben, da war ich schwer beeindruckt. Auf der anderen Seite war ich auch beeindruckt zu sehen, wie professionell wir aufgestellt sind in der Produktion, in der Logistik, dass all unsere Partner sofort Corona-Notfallpläne in der Schublade hatten.
Auch spannend zu sehen: Wir hatten schon eine sehr aktive Community auf unseren Social-Media-Kanälen. Das ist aber nochmal angestiegen, weil natürlich viele Leute gerade zu Hause sind und einen extremen Austausch mit uns als Marke suchen. Also sehen wir gerade, wir sind nicht nur eine Nagellack eine Nagelfarben-Marke, sondern wir stehen für Conscious Beauty und einen unfassbar regen Austausch mit unserer Community. Es ist schön zu sehen, dass wir uns selbst in solcher Lage, in der eigentlich alle gerade voneinander entfernt sind, trotzdem emotional näherkommen.
gitti Nagelfarben mischen den Beauty-Markt auf
Manuel: Es ist ja eigentlich ein Luxusprodukt. Leute tragen Nagellack wahrscheinlich auch für sich, weil sie sich selbst damit wohlfühlen. Aber natürlich auch, wenn man ausgeht oder wenn man gesehen werden möchte. Ist das ein Produkt, was momentan eigentlich gar nicht so sehr gefragt ist?
Jennifer: Da würde ich jetzt tatsächlich scharf gegen schießen. Ich trage meine Nagelfarbe nicht nur, damit es nach außen gesehen wird, sondern hauptsächlich für mich, weil es Ausdruck meiner Stimmung ist. Beauty ist nicht nur dazu da, um nach außen zu tragen, wer du bist, sondern auch, um sich selbst etwas Gutes zu tun und Freude zu haben. Bei Farben drückst du viel aus. Wie geht es dir gerade? In welcher Stimmung bist du? Ich sehe unser Produkt nicht als Luxusprodukt. Gerade in solchen Zeiten - ich weiß nicht, ob du dir schon einmal die Nägel gemacht hast - das ist tatsächlich ein extrem meditativer Vorgang, weil man sich konzentriert und sich einen Moment für sich nimmt. Man kümmert sich um sich. Man pflegt seine Hände. Ein schöner Moment, wenn man zuhause ist und sich gerade etwas Gutes tun möchte.
Manuel: Gerade wenn einem die Decke auf den Kopf fällt, ist Selfcare wichtig.
Jennifer: Manchmal denkt man, im Homeoffice vergammelt man ein bisschen. Die ersten Tage trägst du Jogginghose. Aber irgendwie gibt es dann auch diesen Moment, wo du denkst, „Ich muss mich jetzt auch zuhause so anziehen, als würde ich zur Arbeit gehen“, sonst hat man das Gefühl, man verlottert und dann geht es einem nicht gut. Das Gleiche mit Beauty: nur weil du jetzt zuhause bist, heißt das nicht, dass du dich nicht um dich selbst kümmern kannst.
Lesetipp: In diesem Beitrag erfährst du, worauf du in puncto Dropshipping Steuern achten musst.
Teppich, Wein und Kündigung
Manuel: Mich würde noch dein Werdegang interessieren: Woher kommst du? Was hast du davor gemacht? Und wie kam diese Idee, dich als Gründerin zu betätigen?
Jennifer: Ich komme eigentlich aus dem Konzernumfeld. Ich habe in Köln und in Barcelona Medienwirtschaft und internationales Marketing studiert. Dann bin ich in einen Großkonzern eingestiegen, weil ich unfassbar Lust hatte, in interkulturellen Teams zu arbeiten, wahnsinnig viel zu lernen und an globalen Themen zu arbeiten. Dann hatte ich das Glück, ganz viele unterschiedliche Rollen einnehmen zu dürfen, sowohl in Deutschland als auch im Ausland, in der Konzernzentrale. Ich war zuletzt über vier Jahre bei Coca-Cola, für 13 europäische Länder verantwortlich und habe einfach viel mitgenommen und gelernt.
Es war ein Dezember Sonntag im Jahr 2017. Wir haben zuhause einen riesengroßen Teppich im Wohnzimmer, und ich habe zu meinem Mann gesagt: "Irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich weiß nicht, was ist." Irgendwann habe ich mich auf den Teppich gelegt, hab mich von rechts nach links gerollt und mich dann auf den Rücken gedreht und gesagt: "Weißt du was? Ich kündige." Und er so: "Wie bitte?"
Ich habe vorher wirklich nie erwähnt, ich will meinen Job kündigen und sowas. Ich würde immer noch sagen, ich hatte den wahrscheinlich großartigsten Chef, von dem ich so viel gelernt habe, der mir auch so viel zugetraut hat. Aber irgendwas muss anscheinend in mir rumort haben. Ich bin totaler Bauchmensch. Dann bin ich direkt an dem Tag aufgesprungen und habe meinen Vertrag gesucht. Ich so: "Okay wenn ich jetzt kündige, dann bin ich dann und dann raus... mache ich!" Ich bin dann ein Macher. Alle haben gedacht, ich spinne komplett.
Vom Blitz getroffen: die gitti-Gründerin Jennifer Baum-Minkus
Manuel: Aber du warst jetzt nicht unglücklich?
Jennifer: Nein, ich bin schon sehr radikal. Ich habe auch keine Angst, dann so ein Sicherheitskonstrukt zu verlieren. Das hat erhebliche Implikationen, besonders weil ich ja keine Ahnung hatte, was ich als Nächstes machen wollte. Was das für mich bedeutet, im Sinne von monatlichen Einkommen. Die Würfel wurden neu gewürfelt und fühlte mich so ein bisschen wie als Studentin. Jetzt überlegt man, in welche Richtung geht es und was mache ich eigentlich?
Ich habe mir viele Sachen angehört und sehr schnell danach kam auch schon gitti in mein Leben, als ich bei einem Abendessen gefragt wurde, was ich eigentlich machen würde, wenn ich keine Angst hätte. Ich weiß nicht, ob es an dem Wein lag, den ich an dem Abend getrunken hatte, jedenfalls war das Erste, was ein meinen Kopf geschossen kam: "Glitzernagellack". Ich weiß auch immer noch nicht, wo das herkommt. Ich trage eigentlich nie Glitzernagellack oder sowas. Wir sind dann in der Nacht nach Hause, und ich habe zu meinem Mann um vier gesagt - ich konnte irgendwie nicht schlafen - "Ich muss etwas recherchieren". Dann bin ich mit meinem Rechner in die Küche und habe angefangen, das erste Mal in meinem Leben über Nagellack zu recherchieren. Seitdem bin ich wie vom Blitz getroffen.
Manuel: Als du gekündigt hast, war dir da schon klar, dass du selbstständig werden willst oder war einfach nur für dich klar, ich brauch Veränderung?
Jennifer: Ich muss raus. Bei mir ist es so, egal, was ich mache, ich muss immer eine Tür zu machen, und dann weiß ich, geht eine andere auf. Ich hatte wirklich keinen Plan. In meinem Umfeld die Leute, die kennen mich mittlerweile in dieser Form, aber in dem Moment haben echt viele gedacht, "Sag mal du spinnst echt. Was machst du da jetzt eigentlich?"
Manuel: Das ist auf jeden Fall ein erstes Indiz dafür, dass so etwas wie eine Gründerin in dir geschlummert hat. Keine Angst zu haben vor dem, was jetzt kommt, in dieses Ungewisse reingehen. Einfach mal machen, sich trauen, auch wenn nicht klar ist, wo die Reise hingeht.
Jennifer: Ja, ich mag es auf jeden Fall extrem gern, in Momenten oder Situationen zu sein, wo ich eigentlich keine Ahnung habe. Ein bisschen der freie Fall, wo man lernt und aus der Komfortzone raus ist. Mein Mann tut mir manchmal ein bisschen leid, dann dreht meine Energie echt nochmal auf.
Die Beauty-Revolution beginnt
Manuel: Warst du davor auch schon eifrige Nagellack-Userin oder wie erklärst du dir, dass das auf einmal in deinen Kopf geschossen ist?
Jennifer: Ich war auf jeden Fall eine bewusste Konsumentin, was Lebensmittel und Gesichtspflege anbelangt. Ich habe mir jeden Sonntag in dieser meditativen Phase meine Nägel für die Woche gemacht. Aber ich habe nie darüber nachgedacht – klar, der Nagellack hat gestunken und dann denkt man sich, kann nicht allzu gut sein. Aber dass ich irgendwie recherchiert habe, was ich da genau benutze, das habe ich vorher nicht. Als ich angefangen habe, war ich absolut schockiert, weil das, was ich herausgefunden hab, davon hatte ich überhaupt keine Ahnung. In meiner Recherchezeit habe ich über 400 Frauen befragt und über 90 Prozent von denen haben auch noch nie was davon gehört, dass in Nagellack solche Inhaltsstoffe enthalten sein können und dass der Körper das so schnell absorbiert.
Es ist einfach extrem, dass so ein Produkt, was eigentlich Spaß und Freude in dein Leben bringen soll, so schädlich sein kann. Aber auch kein Wunder, denn bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass der Nagellack eigentlich aus der Autolackindustrie kommt. Wir haben gesehen, dass sich in den letzten Jahren viele von uns bewusster geworden sind, erstmal was Lebensmittel anbelangt und dann hat sich das weitergezogen auf Gesichtspflege und jetzt praktisch überall am Körper entlang. Wir werden als Gesellschaft immer bewusster, was und wie wir konsumieren.
Manuel: Auf jeden Fall ein positiver Trend, der dieses Gesundheitsbewusstsein in die in die Schönheitsindustrie hineinträgt. Dann hast du recherchiert und hast gemerkt, dass da eine Nische für dich ist?
Jennifer: Ja, genau. Ich habe ein riesiges Dokument angelegt mit Inhaltsstoffen. Was gibt's am Markt und wie müsste eigentlich das perfekte Produkt aussehen? Dann habe ich schnell verstanden, was für ein attraktiver Markt das ist und wie groß der Kosmetikmarkt ist, wie viel Produkte noch darauf warten, revolutioniert zu werden und dass es sich lohnen würde, sich damit auseinanderzusetzen. Dann habe ich gedacht, starte ich einfach mal und entwickle eine eigene Formel. Das war am Anfang so eine richtige Aufbruchsstimmung und zu einem kleinen Tick bestimmt auch naiv. Das hat dann anderthalb Jahre gedauert. Ich muss sagen, wir haben schon einen Riesenschritt mit der Formel gesetzt, die wir heute verkaufen, aber das ist noch nicht das Endergebnis, wo ich hinwill. Mich treibt eine Revolution dieses Segments an und wir schauen uns jeden einzelnen Schritt der Wertschöpfungskette an - Produktion, Packaging, etc. Als Start-up startet man irgendwo, und wir sind jetzt auf dieser Reise unterwegs. Aber ich weiß auch, dass wir noch einen Riesenschritt vor uns haben.
gitti-Nagelfarben basieren zu 55% auf Wasser
Manuel: Wann war dir denn dann klar, dass du da ein ganzes Unternehmen draus gründen musst?
Jennifer: Ich war erstmal total produktfokussiert. Ich habe schon verstanden, was am Markt passiert, aber ich war wie ein Produkt-Freak unterwegs. Zuhause im Esszimmer war dann mein gitti-Headquarter. Ich und gefühlt 500 unterschiedliche Nagellackflaschen. Es war Wahnsinn. Ich habe mich aber relativ schnell bei einem Accelerator-Programm beworben. Mir war klar, ich will nicht nur ein Produkt lancieren, sondern auch eine Firma darum bauen und gründen. Es gibt so viele Dinge, die ich gar nicht weiß, wo ich Unterstützung benötige, und auch so ein Mindset.
Ich glaube, dass ich schnell gemerkt habe, egal mit wem ich aus meinem Umfeld gesprochen habe, die waren immer alle so: "Was machst du da? Ach das funktioniert doch eh nicht." Dann hatte ich das erste Produkt zu Hause und habe es mit vielen Leuten getestet. Die dann nur: "Das funktioniert ja gar nicht." Ich hatte Flipcharts aufgebaut und hab dann immer alles aufgeschrieben. „Was findet ihr gut?“ - Da gab es einen Punkt am Anfang. „Was findet ihr schlecht?“ - Das war eine lange Liste, und alle waren irgendwie schon sehr negativ. Da habe ich gedacht, okay ich brauch Leute, die anders unterwegs sind. In dem Accelerator-Programm war es toll, denn da war auf einmal das Mindset: Lösungen! Alle waren so: "Okay cool. Das kannst du doch so machen oder so machen." Das ist auch für mich heute noch ein extremer Nährboden, dass ich dort teilgenommen habe und dass ich da so ein tolles Netzwerk gefunden habe. Das hat mir dann besser geholfen zu verstehen, was das für eine Reise ist, auf der ich bin.
Manuel: Das, was du da gemacht hast in dem Zeitraum, klingt auch ein bisschen wie Chemiebaukasten. Du hast mit verschiedenen Sachen experimentiert. Hast du dich mit Experten ausgetauscht? Hast du einfach Hands-on gemacht?
Jennifer: Ich glaube, es ist immer eine Mischung gewesen. Am Anfang war‘s erstmal wahnsinnig viel Recherche. Das ist das Tolle, dass du alles heute irgendwie selber recherchieren kannst und dir ein Wissen über Inhaltsstoffe aneignen kannst. Ich habe wirklich alle Patente zu Kosmetikprodukten gelesen, ich bin besessen von diesem Thema. Ich wollte das erst mal selbst verstehen. Ich kann nicht selbst im Labor stehen und so eine Formel anmischen, dafür habe ich mir dann großartige Experten gesucht. Aber ich wollte verstehen, was passiert denn da. Ich bin jemand, der dann nochmal nachfragt, warum können wir denn nicht diesen Stoff nehmen und warum können wir das nicht so machen? Aber mir ist auch von Anfang an klar gewesen, wenn man wirklich etwas anders machen will, braucht es jemanden, der diese neuen Fragen stellt. Ich habe ein ganz großartiges Labor an meiner Seite, die unsere Reise begleiten und natürlich auch so tolle Produkte herstellen.
Manuel: Wie hast du das denn dann finanziert?
Jennifer: Ich hatte extremes Glück, dass ich durch meine Position davor auch ein paar Rücklagen hatte und die ersten Schritte auch selbst finanzieren konnte. Das war ein guter Start. Dann habe ich mir aber sehr schnell ein Business Angel gesucht. Nicht nur aus finanziellen Aspekten, sondern insbesondere auch aus der Expertise und dem Know-how, die die mit einbringen. Es ist toll, wenn du Leute mit an Bord hast, die selber schon gegründet haben oder die in diesen Bereichen Experten sind. Dann kann man mehr bewegen, als wenn man nur Alleinkämpfer ist.
Produkte für 7 Monate, ausverkauft in 2 Stunden
Manuel: Wie ging es dann weiter?
Jennifer: Dann gings weiter, dass ich bei dem Accelerator dabei war. Ich hatte dieses Programm dann gewonnen und danach hat sich vieles verselbstständigt. Dann hatte ich meine ersten Business Angel, dann ging es mit der Entwicklung weiter, und dann habe ich tatsächlich ein halbes Jahr später schon die erste Kollektion launchen können. Das war ein totaler Erfolg, denn ich saß zu Hause bei mir im Esszimmer vor meinem Onlineshop und meine Mutter sagt: "Ach ja, da bin ich ja mal gespannt, wann die erste Order reinkommt". Ich habe den Shop geöffnet und in weniger als zwei Stunden war unsere erste Kollektion ausverkauft.
Manuel: Okay wow!
Jennifer: Wir wurden gefeatured von der Vogue. Von Deutschland bis Japan, waren wir im Fernsehen. Auf den Social-Media-Kanälen gab es einfach extrem viele Nachfragen, und wir sind einfach organisch gewachsen. Auf einmal ging alles ganz schnell, sodass ich dann raus aus dem Esszimmer, hin ins erste kleine Büro musste. Das kleine Team hat sich geformt, und seitdem sind wir auf einer Wachstumsreise. Das Team, wir sind jetzt mittlerweile zu acht, und ich haben viele neue Farben produziert und entwickelt und ein neues, weiteres innovatives Produkt, nämlich einen 100 % natürlichen Nagellackentferner. Eins ergab irgendwie das Andere.
Manuel: Dieses organische Wachstum oder auch dieser Hype, diese Berichterstattung vor dem eigentlichen Launch - war das was, das ihr natürlich auch forciert habt oder habt ihr da auch noch mal aktiv nachgeholfen?
Jennifer: Unser gesamtes Wachstum kam zu über 95 % rein organisch. Als ich angefangen habe, an diesem Produkt zu arbeiten, saß ich zu Hause bei mir im Esszimmer und mir war klar, ich bin jetzt hier allein. Aber allein kann man halt keine Revolution starten. Ich habe alles, was ich damals gemacht habe, direkt auf Instagram geteilt. Dadurch habe ich meine erste kleine Community gehabt, die mit eingebunden und zu Packaging und Farben gefragt, sodass ich vor Launch schon eine ziemlich große Warteliste von Leuten hatte, die gesagt haben: "Wir wollen dein Produkt kaufen". Das hat natürlich geholfen. Das hat sich dann schnell multipliziert. Wir kommen aus der Community. Wir machen Produkte mit der Community und wir wollen was verändern. Durch Social Media haben wir eine grandiose Chance, ganz eng mit unserer Community auch zusammenzuarbeiten und die mit einzubinden. Das hat uns am Anfang vor allem geholfen, so schnell zu wachsen.
Manuel: Dieses Direct-to-Consumer ist dann gerade für so ein Produkt, was so eine kleine Nische erfüllt, genau der richtige Weg. Das war dir schon von Anfang an klar, schnell einen Onlineshop zu machen und gar nicht in die großen Märkte zu kommen oder war das eine Überlegung wert?
Jennifer: Mit der Innovation, die wir geschaffen haben, hatten wir natürlich sehr schnell von allen Großen Anfragen, und wir sind auch in einigen ausgewählten Department-Stores verfügbar. Einfach, weil für uns wichtig ist, dass man das Produkt ausprobieren und testen kann. Aber den großen Vorgang sehen wir direkt über unsere Community. Für mich war das wichtig. Ich sehe ein riesen Potential darin, sich mit unseren Kunden und Kundinnen direkt auszutauschen und Produkte zu entwickeln, die die wirklich brauchen. Das kann ich aktuell über den Retail nur beschränkt, denn dann ist der Kunde oder die Kundin natürlich mit dem Retail im Austausch und nicht mit uns direkt. Von daher ist es ein wichtiger Part unserer Strategie.
Limitierung als verkaufsförderndes Element
Die limitierten Kollektionen von gitti - heiß begehrt und schnell ausverkauft
Manuel: Wenn man auf eure Seite geht, dann gibt's ein Starterpaket, eine Basic Collection, aber auch die Limited Collection, die ja immer zeitlich und auch von den Stückzahlen limitiert ist. Stimmt es, dass es am Anfang nur diese Limitierung gab, dass ihr wirklich mit diesem Hype auch gearbeitet habt?
Jennifer: Ja, das ergab sich am Anfang. Wie ich schon gesagt hab, war meine erste Kollektion unfassbar schnell verkauft. Wir haben dann natürlich mehr Produkte eingekauft, aber gleichzeitig ist die Nachfrage mitgewachsen. Das heißt, wir waren im letzten Jahr immer extrem schnell ausverkauft und hatten jedes Mal, wenn wir die Produkte ausverkauft haben, den Shop wieder zu gemacht. Und dann versuchst du wieder neue Produkte zu bekommen.
Was für uns wichtig ist, dass wir auch schauen, dass wir nachhaltig produzieren und jetzt nicht so viele Produkte ins Lager legen, sondern nach der Nachfrage entsprechend unsere Partner einbinden. So machen wir es insbesondere mit Kollektionen. Im Frühjahr trägst du andere Farben als im Winter. Deswegen bringen wir da noch mal limitierte Kollektionen auf den Markt, wo wir einfach gucken, dass wir unter dem Nachhaltigkeitsaspekt richtig produzieren.
Manuel: Aber das heißt, es war am Anfang gar kein Marketing-Tool?
Jennifer: Ich werde total oft gefragt, „Das ist doch bei euch eine Strategie?“. Am Anfang hätte ich nie damit gerechnet, dass wir so viele Produkte so schnell verkaufen. Die Planung war, dass diese Produkte die ersten sechs, sieben Monate halten. Und das haben wir dann in weniger als zwei Stunden verkauft.
Manuel: Das glaubt einem dann keiner.
Jennifer: Das ist abgefahren! Ich hatte noch Fotos von diesem Wochenende, wo wir natürlich auch alles selbst verpacken und versenden mussten. Du hast damit gar nicht gerechnet und bist dann die Nacht dabei, Pakete für deine ersten Kunden zu packen. Alles noch handgeschriebene Karten. Das war totaler Wahnsinn, das war echt eine sehr abgefahrene und intensive Zeit.
Natürlich musst du am Anfang auch noch gucken, dass du deine Kosten auch im Kopf hast. Wir wussten ja nicht, ist das jetzt eine einmalige Sache? Wie finden die Leute unser Produkt? Wollen sie es wieder kaufen? So haben wir uns dann im letzten Jahr von einem Verkauf zum nächsten gearbeitet, um mehr zu lernen und zu verstehen. Jetzt sehen wir das im Farbbereich, dass du gerne im Frühjahr, Sommer und im Winter andere Töne trägst und dass wir diesem Wunsch nachkommen, aber jetzt nicht überproduzieren und deswegen auch die limitierten Kollektionen haben.
Manuel: Als ihr den Store dann das erst Mal online gebracht habt, seid ihr dann direkt bei Shopify gelandet?
Jennifer: Natürlich fragt man viele Menschen, die schon selbst ein Online-Business haben. Man fragt 10 Menschen, man bekommt zehn Meinungen. Dann habe ich aber sehr häufig Shopify gehört, und gedacht, da müsste doch was dran sein. Also haben wir uns dann sehr schnell für Shopify entschieden. Was für uns halt total toll ist, dass wir so viele Sachen selbst machen können und verstehen. Dass es nicht nur ein toller Shop außen ist und uns hilft, unsere Brand zu kommunizieren, sondern auch ein super Warenwirtschaftssystem im Hintergrund, was uns gerade hilft, insbesondere wenn das Team noch so klein ist, alles sauber selbst zu handhaben. Es ist eine angenehme Benutzeroberfläche. Es macht Spaß, daran zu arbeiten. Am Anfang war ich auch noch alleine, da hätte ich mir nicht vorstellen können, dass das anders handhabbar gewesen ist, wenn man einen komplizierten Shop hat.
Führungsqualität Nummer 1: Dinge abgeben
Manuel: Du produzierst selbst. Habt ihr ein Lager? Hast du dich dann auch in diese ganzen Themen eingelesen oder hast du dann gesagt: „Das gebe ich jetzt alles ab“?
Jennifer: Tatsächlich bin ich immer in allen Themen mit drin. Ich liebe es zu lernen. Ich verstehe aber dann sehr schnell, wann ich was abgeben muss. Am Anfang, wenn das Team klein ist, springst du in alles mit ein. Aber mittlerweile haben wir einen tollen Logistiker und natürlich ein Lager.
Ich finde, es ist das Tolle am Gründer-Dasein. Da macht man irgendwie alles. Wenn ich heute meine Tage angucke, da mache ich Produkt, Marketing, Produktion, Logistik. Dann mache ich Finanzen. Dann mache ich Steuer. Ein Tag ist ein buntes Potpourri von allen Dingen und wichtig ist aber, dass ich schnell merke, wann ich an meine Grenzen komme. Dann hole ich mir einen Experten. Sonst schafft man es nicht und wir wollen natürlich auch wachsen. Das geht nur, wenn an der einen oder anderen Stelle Leute mit reinkommen, die viel besser wissen, wie alles gemacht werden muss.
Lesetipp: Mach's wie gitti und geh auch mal neue Wege im Marketing. Wie funktioniert Pinterest? Wir zeigen es dir.
Manuel: Dieses Leute-Managen, das hat dir wahrscheinlich geholfen, dass du das in deinem vorherigen Beruf auch schon hattest und damit umzugehen wusstest, oder?
Jennifer: Ich hatte wahnsinnig Schule durch meine Berufserfahrung vorher und hatte auch schon Teams verantwortet, auch Teams, die nicht alle an einem Ort saßen, Teammitglieder, die weitaus älter waren als ich und viel mehr Expertise hatten. Von daher hatte ich schon Führungserfahrung. Meine Haltung ist, wenn ich morgens bei uns hinkomme oder wenn wir virtuell in den Tag starten, ist mein Wunsch immer, dass alles ohne mich läuft. Die Frage ist, was muss ich dafür tun? Wie muss ich mein Team befähigen? Ich habe immer eine Meinung zu Sachen, aber das heißt nicht, dass das für uns die beste Meinung ist. Für mich ist es wichtig, dass die Leute, die an bestimmten Themen arbeiten, von meiner Seite aus befähigt werden, damit die Verantwortung für Themenbereiche übernehmen können. Wenn die ein Hindernis haben, kann ich helfen, das aus dem Weg zu räumen. Aber ich gehe davon aus, dass die Personen, mit denen ich arbeite, es am Ende des Tages viel besser wissen, als ich es tue. Die sind die Experten in diesen Bereichen. Man kann immer noch mal nachhaken, da kriegt man auf jeden Fall von mir eine Antwort, in jedem Aspekt, immer. Aber das heißt nicht, dass das die richtige Lösung ist. Deswegen frage ich mich immer, wie kann ich mich wieder aus Themen rausziehen? Und wie kann ich dafür sorgen, dass irgendwann alles einfach ohne mich läuft?
Manuel: Es klingt alles so, als hast du immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Gab es denn auch Rückschläge oder Stolpersteine?
Jennifer: Ich würde sagen, jeder Tag ist so zwischen "Oh mein Gott. Total großartig, was wir machen." und dann wieder "Mein Gott, was ist das? Das wird niemals klappen."
Ich weiß noch, als unsere ersten Produkte angekommen sind - die Fläschchen waren nur zur Hälfte befüllt. Aber das ist etwas, was ich von meiner Mutter geerbt habe: In solchen Situationen bin ich sofort im Lösungsmodus. Ich denke gar nicht darüber nach "Ach Mist, was ist denn da jetzt passiert?". Natürlich ist es nachher wichtig zu verstehen, woher kam das, damit es nicht nochmal passiert, aber dann geht's halt ums Lösen. Gefühlt gehen uns jeden Tag 10.000 Sachen schief. Ich habe auch manchmal das Gefühl, ich bin eigentlich nur am Löschen irgendwelcher Brände. Aber das macht mir auch ehrlich gesagt am meisten Spaß.
Manuel: Was habt ihr denn mit den halben Fläschchen gemacht?
Jennifer: Wir mussten das dann wieder zurück an die Produktion schicken. Dann haben wir schon am Anfang überlegt… wir haben Produkte, die wir dann natürlich nicht wegwerfen. Besonders, wenn uns Nachhaltigkeit extrem wichtig ist. Da haben wir damals gemeinsam mit dem Produzenten eine super Lösung gefunden, wie wir unser Packaging noch nutzen können. Aber zeitgleich natürlich sicherstellen, dass unser Produkt sicher ist. Das ist die oberste Maxime.
Manuel: Wenn du in dich hörst, gibts da schon wieder diesen Teppich, der nach dir ruft oder bist du glücklich?
Jennifer: Der Teppich ruft! Ich habe so viele Ideen bei gitti. Unsere Reise hat gerade erst begonnen, und ich habe das Gefühl, wahrscheinlich wäre ich jetzt auf einem fliegenden Teppich unterwegs. Es gibt noch so viele Dinge in dem gitti-Kosmos, wo wir noch für so viel Mehrwert sorgen und die Welt tatsächlich ein Stückchen besser machen können. Mein Kopf rattert nur durch und hat wahnsinnig viele Ideen. Das Schöne ist, dass wir tolle Partner an Bord haben und ein grandioses Team, die auch so viel Lust haben, die Welt zu verbessern. Man sollte sich auf jeden Fall anschnallen, denn von Gitti kommt noch eine ganze Schippe mehr.
Manuel Fritsch ist der Moderator des Shopify Podcasts. 2000 gründete Manu sein erstes Unternehmen und arbeitete 15 Jahre in der Agenturwelt. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Spielejournalist für Fachmagazine, Zeitungen und seinen eigenen Podcast mit inzwischen über 2.500 Folgen tätig.
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